Moment Mal
von Wilfried Schmidt
Erntedank: herrlich geschmückte Kirchen, fröhliches Singen und die Gewissheit, dass es wieder ausreichend zu essen gibt (zumindest hier für uns). Ist von dem Dank am Sonntag heute noch etwas in uns zu spüren? Mitten in unseren vielen Aufgaben?
Wie tief ist die Dankbarkeit in unseren Herzen verankert? „Ist doch selbstverständlich, dass wir zu essen und zu trinken haben. Und zum Anziehen.“ Selbstverständlich – seit vielen, vielen Jahren. Wer vor einem vollen Supermarktregal steht oder am Stand auf dem Markt, der kann aussuchen zwischen vielen Sorten Obst, Gemüse und Brotbelag. Es fällt eher auf, wenn dann mal ein Fach oder ein ganzes Regel leer ist.
So kann es gut sein, dass wir gar nicht mehr sehen, wie reich wir sind und wie gut es uns geht. Und dafür zu danken, ist doch auch selbstverständlich. Oder? Mit fairen Preisen, die den Bauern geben, was sie verdient haben bei aller Arbeit in Wind und Wetter. Und mit fröhlichen Liedern, denn Gott hat alles wachsen lassen.
Haben Sie gesät und geerntet? Und wenn, haben Sie gern geerntet? Oder eher mit einem Stöhnen: „Das jetzt auch noch! Ich hab doch so viel zu tun“.
In unserer Gesellschaft hat es sich so entwickelt, dass wir eher säen und ernten lassen. Der Bezug zu Erntedank geht etwas verloren. Aber ist Erntedank denn nicht mehr als ein Rest aus vergangenen Zeiten? Wo man nichts hatte, wenn man nicht selber geerntet hat? Wo es selbstverständlich war, die oft monotonen Arbeiten zu machen?
Wir leben auf jeden Fall immer noch von Saat und Ernte, auch wenn wir unsere Lebensmittel ausschließlich einkaufen. In diesem trockenen Sommer war es an manchen Stellen erkennbar, weil nichts oder nicht viel geerntet werden konnte.
Wir leben auch in anderer Hinsicht von Saat und Ernte. Wer keinen Acker, Garten oder Blumenkasten bestellt, ist doch ein Mensch, der sät und erntet. Paulus schreibt den Christen in Korinth davon in seinem ersten Brief (Kapitel 9): „Gott aber, der dem Sämann Saat und Brot schenkt, wird auch euch Saatgut geben. Er wird es wachsen lassen und dafür sorgen, dass das Gute, das ihr tut, Früchte trägt.“
Saatgut ist meist das, was wir selber auch gut anders verwenden könnten. Die Körner könnten ein Brot werden, die Kartoffeln ein gutes Mittag. Aber wir verzichten drauf, damit daraus etwas anderes Gutes werden kann.
So ist auch all das Gute, dass wir tun, wie eine Saat. Ich könnte die Zeit, das Geld, die Kreativität, die Kraft gut für mich einsetzen, damit ich direkt etwas davon habe. Aber ich kann es auch wie Saatgut einsetzen: weggeben, aus der Hand geben, für andere einsetzen. Im Vertrauen darauf, dass Gott, der aus den Körnern Getreide werden lässt, auch dafür sorgt, dass meine Saat aufgeht. Es ist schön, dass viele Menschen z.B. für Indonesien schon gespendet haben oder es bald tun werden. Das alles ist wie Saat. Aber auch unser naher Nächster lebt von unserer Saat. Und wir von dem, was andere an uns Gutes tun.
So lädt das Erntedankfest ein, für alles Gute zu danken, was wir aus Gottes Hand empfangen haben und diesen Dank immer wieder auch im Miteinander deutlich werden zu lassen: Ich bin reich beschenkt, ich gebe ab. Nicht nur vom Überfluss, sondern auch von dem, was ich eigentlich selber gut für mich gebrauchen könnte.
Dazu wünsche ich uns allen Gottes Segen und viele gute Erfahrungen!
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