Moment Mal
von Pfarrer Wolfgang Nier
Glück oder Segen?
Ein Bibelspruch „Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.“ greift die ewige Suche des Menschen nach Gelingen und Erfolg auf. Jeder will gesegnet-sein, ein gesegnetes Leben haben. Und verwechselt dabei Segen mit Glück.
Der Markt der „Glücksprofis“ boomt daher: Buchläden, Internet, Messen haben eine endlose Palette von literarischen Glücksanleitungen parat: Nur so (und natürlich nicht anders) gelingt ein glückliches Leben.
Die Suche nach Glück ist verständlich - und die Medien haben es erkannt, dass den Menschen die Sehnsucht und die Suche nach Glück treibt. Marktgerecht und klischeehaft werden Töchter als Schwiegertöchter verschachert, skurrilen Bauern Frauenangebote verschafft und in deutschlandweiten Musikshows Jugendlichen die Illusion aufrechterhalten, die Welt warte nur auf ihr Geplärre. Das ist der mediale Missbrauch der Sehnsucht nach Glück.
Welche Antwort gibt uns die Bibel? Es ist interessant, vielleicht auch für manchen irritierend, dass sich die Bibel der „Glückssuche“ verschliesst. Im Neuen Testament findet sich noch nicht einmal das Wort „Glück“.
Stattdessen werden Blick und Gedanken auf den „Segen“ gelenkt, auch mit dem Impuls: Segen ist nicht nur eine materielle Angelegenheit oder ein äußeres Gelingen auf dem Lebensweg, sondern Segen umfasst das ganze Da-sein eines Menschen: seine innere und seine äußere Präsenz im eigenen Alltag, unter Menschen.
Wann also bin ich gesegnet? Sicher, wenn mir etwas gelingt, wenn Menschen mir zugetan sind, wenn ich mit einer Aufgabe wichtig bin und Bedeutung habe – dann kann ich Spuren des Segens in meinem Leben entdecken. Aber wenn nicht? Wenn ich im Großen des Lebens keine Segensspuren entdecken kann?
Doch: das Unscheinbare in der Nahaufnahme des Lebens zeigt mir, was ich oft übersehe – weil es so alltäglich, normal ist. Aber wenn ich genau hinschaue und ihm Aufmerksamkeit zuwende – dann „sehe“ ich wieder Schönheit. Und nehme das Alltägliche neu war.
Das gilt übrigens nicht nur für die unscheinbare Schönheit in der Schöpfung, sondern auch für meinen eigenen, ganz normalen Alltag, in dem Segensspuren zu finden sind – wenn ich nur genau hinschaue.
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