Moment Mal
von Pfr. i.R. Stephan Flade
Wert_los oder zukunfts_bezogen?
Mich beschäftigt der „Kirchenaustritt – der Kirchensteuer wegen“. Jugendliche halten bis zum Ausbildungsende Kontakt zur (evangelischen) Kirche. Mit Beginn des ersten Verdienstes steht das Thema „Kirchensteuer“ und die Mitgliedschaft in der (evangelischen) Kirche. Steuerberater_innen erklären häufig nüchtern und emotionslos, dass diese unnötige, einsparbare Ausgabe (sanktionslos) wegfallen kann.
Übers Notariat erfahren wir später von der Los-Lösung. Die Austretenden sagen oft: Es ist ja nicht persönlich gegen Sie und die Kirche, aber wir müssen z.B. das Haus finanzieren. Soweit meine langjährige Erfahrung als Pfarrer in Großstadt und Land.
Was aber ist dran an diesem „Kirchensteuer-Sparmodell“? Diverse Versicherungen, Mehr-Ausgaben und Immobilienkäufe werden natürlich nicht diskutiert. Die müssen sein. Ist der christliche Werte-Kanon und das Solidaritäts-Modell völlig aus der Zeit, ein alter Hut?
Jüngere sagen: Kirche? Ich geh da ohnehin nicht hin. Die Gottesdienste sind für alte Leute, Kinder habe ich keine – also entfallen mögliche Taufen. Zur Hochzeit reicht auch das Standesamt und sterben werde ich aller Voraussicht nach erst in einigen Jahrzehnten: Deshalb heute keine Kirchensteuer von mir! Wenn es schwierig wird, dann ist ja die Oma „kirchlich“. Notfalls muss ich noch einmal in die Kirche eintreten. Dann habe ich aber bereits einige Jahre Geld gespart. Spenden kann man ja immer. - Wir alle hingegen zahlen Jahr für Jahr treu und brav unsere Privathaftpflicht u.a., gerade wenn wir möchten, dass wir sie nie in Anspruch nehmen müssen.
Wo stehen wir mit unserer abendländischen Werteorientierung? In der jüdisch-christlichen Tradition der Bibel gehört es zur Verantwortung der Aktiven in der Gesellschaft ihren zehnten Einkommens-Teil für die Ausgegrenzten und Armen bedingungslos zu leisten. Bei Hans-Joachim Schoeps, einem Nachfahren der Berliner Mendelssohn-Familie, las ich wie viele gemeinnützige Einrichtungen allein diese künstlerische Bankiers-Familie im 19.Jahrhundert für die Berliner Armen gestiftet hat. Jahrhundertelang gelten auch christliche Einrichtungen als soziale Auffangbecken. Sie waren Vor-Zeichen einer Solidarität über den eigenen Tellerrand hinaus, Zeugnisse des Umver-Teilens des von Gott geschenkten Lebens wie Wohlstands. Vorbilder des heutigen Sozialstaates.
Warum – frage ich beklommen – sind solche Beispiele so wenig wirkmächtig? Und ist mein ehrenamtlicher Einsatz ohne Entgelt für unsere Gesellschaft ein einfältiges Auslaufmodell?
Wir ringen gesellschaftspolitisch um die Generationengerechtigkeit. Linke Parteien wollen Vermögen besteuern. Doch auskömmlich Verdienende wollen schwerlich umver-/teilen. Beruflich möchte frau/man gut verdienen und Karriere machen, für das Ehrenamt bleibt keine Zeit und Kraft. Kirchensteuer ist auch Beteiligung am Gemeinwohl. Für die Struktursicherung hilft sie uns Kirchen, Grundversorgung zu ermöglichen. Gottlob gibt es den Kirchensteuer-Transfer aus den finanzstarken Ballungsräumen in die ländlichen Regionen, biblisch gesprochen „sie hatten alles gemeinsam und teilten ...“ (Apg.2,44 f.). Andere Steuern gehen in den sinnleeren BER oder in die mörderische Aufrüstung. Kirchensteuer zerstört kein Leben.
Meine Hoffnung bleibt, dass es uneigennützigen Einsatz für Menschen gibt, finanziell, materiell, personell. Wenn das nicht mehr läuft, was dann?
Ich denke, dass die Kirche – mit finanzieller Kirchensteuer-Beteiligung der vielbeschäftigten Jüngeren - immer wieder Projekte stärkt und anstößt, die eine Humanisierung der Gesellschaft garantieren. Da, wo es schon längst keine Partei-Gruppen im ländlichen Raum mehr gibt, wo die Handelsketten und die Sparkassen ihre Filialen geschlossen haben, da gibt es weiterhin „Kirche“ als soziales Netz. Gemeindekirchenräte, Älteste, Kirchengebäude, Gemeinwesen-Projekte sind dort verlässliche Zeugen eines solidarischen Gesellschaftsmodells. Unterstützen Sie weiterhin dieses Modell! Treten Sie wieder in die Kirchen ein, dann wird das Gespräch vielfältiger. Kirchensteuer ist eine wert_volle Zukunftsoption! Gottes Segen für uns alle,
Ihr Stephan Flade, Pfarrer i.R.
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