Moment Mal
von Pfrn. Verena Mittermaier
Es ist ein kleines Dorf im bergigen Hinterland von Tansania. Das Pfarrhaus aus einfachen Lehmziegeln ist so niedrig, dass wir beim Eintreten den Kopf einziehen. Der einzige Raum enthält das Wichtigste: einen Tisch und Sitzgelegenheiten, um Gäste zu empfangen. Mit Übersetzungshilfe stellen wir uns gegenseitig vor und erfahren ein wenig über das Leben und die kirchliche Arbeit in diesem Ort. Für unser gemeinsames Essen wurde ein Huhn direkt auf dem Hof geschlachtet. Dazu gibt es Kartoffeln aus eigenem Anbau. Ein schlichtes und köstliches Mahl.
Später sehe ich, wo das Essen zubereitet wurde. In einer separaten Lehmhütte befindet sich die Kochstelle direkt am Boden. Täglich wird in der Umgebung Feuerholz gesammelt und auf dem Kopf nach Hause getragen. Auf ein paar größeren Steinen stehen die rußigen Kochtöpfe direkt im Feuer. Woher kommt das Wasser zum Kochen? Ich weiß es nicht. Ein Wasserklosett gibt es jedenfalls nicht, lediglich ein mit Keramik umfasstes Loch im Boden einer weiteren kleinen Lehmhütte hinterm Haus.
Nach dem Essen ziehen einige Menschen aus der Gemeinde singend mit uns in die nah gelegene lutherische Kirche. Als Kirchenglocke dient eine ausrangierte Autofelge, sie hängt in einem Baum und wird mit einem Stück Holz angeschlagen. Die Kirche aus gebrannten Lehmziegeln wurde von der Gemeinde selbst gebaut, der Fußboden besteht aus festgestampfter Erde. Drinnen im Kirchenraum angelangt, wird schwungvoll getanzt, geklatscht und gesungen.
Wir feiern, was uns im Glauben miteinander verbindet, und erzählen einander: Was beschäftigt Christinnen und Christen in Deutschland im Kirchenkreis Prignitz? Was bewegt die Menschen im Partnerkirchenkreis Ilula in Tansania? Wie gestalten wir hier und dort das Gemeindeleben? Was läuft jeweils gut? Wo gibt es Sorgen? Vor welchen Herausforderungen stehen wir, in Afrika, in Europa? Am Ende der Versammlung beten wir füreinander, jede Gruppe in ihrer Sprache. Dann wird erneut getanzt und gesungen, bevor unsere kleine Reisegruppe wieder in den Geländewagen steigt. Noch von weitem sehen wir die leuchtend bunten Kleider der Frauen und Kinder, die uns zum Abschied nachwinken.
Einige Monate sind seit dieser Reise vergangen. Inzwischen ist die Fastenzeit gekommen. Sieben Wochen vor Ostern laden zur Besinnung ein: was brauche ich wirklich? Was ist wesentlich im Leben? Worauf könnte ich – und sei es eine Zeit lang – verzichten? Mancher bewusste Verzicht lässt die Dinge wieder wertvoll erscheinen. Auf manches kann ich vielleicht sogar dauerhaft verzichten und besser leben. Fasten bringt die Chance mit sich, „frei zu werden für neue Gedanken und andere Verhaltensweisen“, lese ich.
Und mir fallen die Geschwister in Tansania wieder ein. Die Stunden, die wir zusammen dort erlebten, angefüllt mit Begegnung, mit Inspiration und gegenseitigem Interesse, mit dem Wissen um gemeinsame Wurzeln und mit geteilten Zukunftsplänen. Inmitten erschütternder Kargheit erlebten wir ansteckende Gastfreundschaft und köstliches Essen, Musik und Tanz, teilten Sorgen und Freuden. Was ist wirklich wichtig im Leben? Menschen in den Bergen von Tansania haben es mir eindrücklich wie selten vor Augen geführt.
Eine gesegnete und entdeckungsreiche Fastenzeit wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Verena Mittermaier
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