Moment Mal
von Pfarrer Wolfgang Nier
Pisa und das Gendersprech
Pisa. Sie erinnern sich? 2001. Der große Schock. Alle Welt erfuhr: die deutschen Schüler sind doof.
Danach: Schulräte und Politiker redeten und redeten. Lehrer arbeiteten. Schüler lernten. Und schon nach ein paar Jahren war die Welt wieder heil. Die deutsche Sprache war gerettet und das Ansehen der deutschen Pädagogik wiederhergestellt. Zumindest für eine Weile.
Szenenwechsel: Berlin-Neukölln oder andere entsprechende Stadtteile in deutschen Metropolen. Dort entwickelte sich etwas anderes in Sachen Sprache. Das „Türkdeutsch“. Irgendso eine integrative Mischung zwischen deutsch und türkisch. Klingt auch nicht viel besser als das Pisa-Ergebnis. Aber es ist immerhin etwas Eigenes.
Doch dann tauchten sie plötzlich auf: die Weltverbesserer. Und wollten die deutsche Sprache gendergerechter machen. Und machten und machten. Das Ergebnis stellte das damalige Pisa-Ereignis in den Schatten. Nun sind wir versöhnt mit den damaligen deutschen Schülern.
Es sind nämlich Erwachsene. Erwachsene, die einfach die deutsche Grammatik weggendern. Weil sie glauben, das wäre gerecht. Ein Beispiel gefällig?
Es gibt keine „Mitarbeiter“ mehr, sondern nur noch „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“. Der schöne deutsche Plural „Mitarbeiter“, in dem Frauen und Männer gemeinsam eine nette Gemeinschaft bildeten, wurde sinnfrei zu „Mitarbeitenden“ konstruiert.
Die Pisa-Schüler von damals wissen aber heute: das ist kein Plural, sondern der Partizip Präsens (oder Partizip I). Denn nicht jeder Mitarbeiter ist ein Mitarbeitender und arbeitet gerade mit. Sondern sitzt vielleicht am Stammtisch oder am See und angelt. Und ist trotzdem ein Mitarbeiter.
Aus dem Plural ständig einen substantivierten Partizip Präsens machen zu müssen ist übrigens im sprachlichen Vollzug sehr anstrengend.
Und es ist so unnötig. Der Plural, in dem wir gemeinschaftlich auftreten, wird gebildet vom weiblichen und vom männlichen Singular. Die Frauen spendierten aus ihrem Singular den Artikel, die Männer die Endung. Die Frauen geben den Takt an, die Männer halten die Schlusslaterne. Was wollen die Genderisten eigentlich noch mehr?
Stellen sie sich dazu noch vor, sie müssten 3 kirchliche Berufe aufzählen: Pfarrer, Kirchenmusiker, Gemeindepädagogen. Genderistisch verwurstet würde das heißen: Pfarrer und Pfarrerinnen, Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen, Gemeindepädagogen und Gemeindepädagoginnen – so als gäbe es in der deutschen Sprache keinen Plural mehr. Geschrieben ist das noch harmlos. Binden sie das aber in einen ohnehin schon längeren Satz ein: sie kommen völlig außer Atem. Und ohne Zungenunfall kaum zu schaffen.
Ja und dann die sprachlich unsprechbare Zeichensetzung: Sternchen, Unterstriche, Schrägstriche, Binnen–Is. Bilden sie mal bitte einen Satz und vergessen sie nicht ein Sternchen oder einen Schrägstrich mitzusprechen.
Merken sie was? Das neue Genderistendeutsch ist schlimmer als das Ergebnis von Pisa 2001. Viel schlimmer.
Ich halte es lieber mit dem Deutsch, das ich vor 50 Jahren in der Schule gelernt habe. Das haben mir damals meine Deutschlehrerinnen (und diesmal waren es wirklich Frauen) beigebracht haben. Dafür bin ich ihnen dankbar.
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