Moment Mal
von Wilfried Schmidt
Ging es Ihnen auch so? Damals, als sie in den Kinderschuhen steckten? Besuch war da und man wollte bis zum Schluss dabei sein. Hatte man nicht irgendetwas vorzuweisen, was die Eltern gnädig stimmen könnte, doch noch aufzubleiben? Im Garten mehr mitgemacht, als von den Eltern erbeten. Gleich den Abwasch gemacht und nicht erst nach der dritten Ermahnung. Eine gute Zensur, weil man besonders gut gelernt hatte. Als Jugendlicher war es vielleicht etwas, das man unbedingt kaufen wollte und noch Kleingeld von den Eltern brauchte.
Je mehr man aufzuweisen hatte, umso größer die Hoffnung, die man natürlich als berechtigt empfand. Hatte man es sich nicht verdient?!
So sind wir Menschen. Und wir handeln auch im Blick auf Gott manchmal so. Haben wir da nicht gute Taten aufzuweisen, die wir in die Waagschale werfen können, um unseren Erwartungen an Gott Nachdruck zu verleihen?
So habe ich es schon einige Male gehört. Jemand macht seinem Ärger und seiner Enttäuschung Luft, weil sein Gebet für eine wichtige Sache nicht erhört wurde. Und dabei hatte er doch eine Reihe guter Taten aufzuweisen, vielleicht sogar manches Fromme oder auch Geld für die Kirche. Da hat man doch Anspruch, von Gott erhört zu werden. Und wenn er nicht spurt, dann wird der Glaube an den Nagel gehängt. Was soll ein Gott, der all das Gute, das man getan hat, nicht sieht und honoriert.
Daniel, ein Mann aus dem alten Volk Israel, betete auch zu Gott: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ (Die Bibel, Buch Daniel Kapitel 9, Vers 18) Er war verschleppt aus seiner Heimat, zusammen mit anderen jungen Leuten. Dort war es nicht leicht. Dennoch haben sie an ihrem Gott festgehalten.
Wir vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, nicht auf unsere guten Werke... Daniel hätte sicher manches vorzuweisen gehabt. Er wusste aber, dass es bei ihm auch Dinge gibt, die nicht gut gelaufen sind. Wenn Gott das Gute ansehen sollte, dann müsste er das andere ja auch einbeziehen. Das, wo man nicht war, wie man sein sollte – in Gedanken und Worten und im Handeln.
Daniel vertraut lieber auf Gottes Güte, als irgendwelche Rechnungen aufzumachen. Gott ist doch wie ein Vater, wie ein guter Vater. Und Eltern handeln mit ihren Kindern auch nicht nach Verdienst. Sie wissen, was ihren Sprösslingen gut tut und lassen Liebe sprechen.
Nebenbei: auch Liebe muss manchmal Nein sagen. Doch so, wie Kinder am Nein ihrer Eltern wachsen, so können Menschen am Nein Gottes wachsen.
Weil Daniel weiß, dass Gott ein großes Herz voller Liebe zu den Menschen hat, packt er vor ihm aus. Wir sind eingeladen, das auch immer wieder zu tun. Nichts brauchen wir vor Gott verschweigen. Nichts ist ihm uninteressant. Und jeden Tag begegnen wir neuen Anliegen, die wir vor Gott bringen können – in den Nachrichten, auf dem Schulhof, in der Gemeinde, in persönlichen Gesprächen, in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis.
Und ich weiß, die Zeit, die ich mir zum Gebet nehme, tut mir und der Beziehung zu anderen einfach gut. Ganz ähnlich, wie es auch Dietrich Bonhoeffer in der Zeit des dritten Reiches aussprach: Die Zeit, die wir der Fürbitte geben, wird uns täglich eine Quelle neuer Freude sein. Auch neuer Freude an Gott.
Diese Erfahrung wünsche ich auch ihnen.
Einen Kommentar schreiben