Moment Mal
von Pfrn. Verena Mittermaier
„Ich bin dann mal weg“
X ist nicht da – verreist. Auch Y hat heute keine Zeit. Koffer packen für den Urlaub ist angesagt. Dafür kommt Z demnächst wieder. Vielleicht mit Mitbringseln im Gepäck? Und mit interessanten Fotos…
Sommerzeit ist Reisezeit. Wer sich auf Reisen begibt, verlässt die gewohnten Bahnen. Da kann man Überraschungen erleben. Ging es Ihnen auch schon so? Einmal machte ich mit meiner Familie auf einer längeren Reise Halt an einem wunderschönen Ort. Eine Vesperpause von zwei Stunden war dort geplant. Dann aber wurden wir spontan eingeladen, zu bleiben. Unverhofft wurden etliche Tage daraus. Wir hatten ein Dach über dem Kopf, teilten unser Essen und erfuhren von fremden Menschen in einem fremden Land eine selbstverständliche Gastfreundschaft, die uns beeindruckte. Eine willkommene Überraschung!
Reisen öffnet Raum für Unvorhergesehenes: Ich sehe Dinge, die ich vorher noch nie sah. Ich erkunde fremde Gegenden, begegne unbekannten Menschen, koste ungewohnte Speisen, höre vielleicht eine andere Sprache. Ich tue Dinge, die ich im Alltag zuhause womöglich nie tun würde. All das lässt mich auch mein bisher Vertrautes mit anderen Augen sehen. Reisen verändert den Blick.
Von Abraham und Sara, die loszogen in unbekanntes Land, bis zum Seher Johannes im letzten Buch der Bibel, der einen neuen Himmel und eine neue Erde vor sich sah – die Bibel beschreibt den Glauben an Gott immer wieder als Unterwegssein auf noch nicht gebahnten Pfaden. So vergleicht sie den Glauben mit dem Reisen. Der Glaube lässt Menschen aufbrechen. Die Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste, auf dem Weg ins gelobte Land, wird für alle späteren Generationen zum Urbild für den Glaubensweg des pilgernden Gottesvolkes.
Nicht immer reisen die Menschen freiwillig. Da mag es vielen Kriegs- und Armutsflüchtlingen heute ähnlich gehen wie damals den Hebräern im ägyptischen Sklavendienst. Unfreiwillig wurde auch der Prophet Jona von Gott zu einer „Dienstreise“ nach Ninive verdonnert. Er versuchte, der Aufgabe auszuweichen und die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen – ohne Erfolg. Im Bauch des Fisches lenkte er ein und nahm schließlich den Reiseauftrag an.
Anders herum schildert die Bibel auch Glaubensreisen, ohne dass die Menschen real ihren Ort verlassen. Etwa in den christlichen Gemeinden, die der Apostel Paulus gegründet hatte. Die Anregungen, die Paulus auf seinen weiten Missionsreisen gab, wären wirkungslos geblieben ohne all jene, die treu und stetig am Ort blieben und die neuen Gemeinden mit Leben füllten, wenn Paulus längst weitergereist war. Dennoch erlebten auch die Sesshaften ihren Glaubensweg als fortwährendes Unterwegssein: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebräerbrief 13,14).
Innere „Reiselust“ kennzeichnet Menschen, die Gott suchen. Auch durch die Prignitz pilgern in diesen sommerlichen Tagen immer wieder solche reiselustigen Menschen. Als Gastgeberin in einer Pilgerherberge bin ich oft beeindruckt von den Erfahrungen, die die Menschen mitbringen. Die wunderbare Natur tut gut. Das Wandern hilft, Stress abzubauen. Und das wachsende Interesse an den alten Pilgerwegen zeigt auch: Menschen folgen ihrer Sehnsucht. Und finden oftmals etwas, das sich nicht im vorher Gesehenen erschöpft.
Ob auf Reisen oder zuhause - bleiben Sie behütet!
Ihre Pfarrerin Verena Mittermaier
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