Moment Mal
von Pfarrerin Anna Trapp
Als Pfarrerin ist es eine meiner schönsten Aufgaben, Menschen kennenzulernen. Sogar solche, die schon verstorben sind. Wenn ich im Bestattungsgespräch danach frage, wie die Mutter, der Partner gewesen sind, was sie ausgezeichnet hat, und welche Anekdote beispielhaft aus dem Leben spricht, dann höre ich wunderbare Geschichten. Geschichten, die auch in Spannung stehen, zwischen Freudens- und Leidenszeiten. Und mit je mehr Personen ich Kontakt bekomme, desto bunter, vielfältiger wird das Mosaik der Erinnerungen. Gerade in Momenten der Trauer tauchen Bilder, Erlebnisse, Erfahrungen auf, die uns über den Horizont des Todes miteinander verbinden, ja die manchmal selbst Hoffnungsbilder sind. Ich freue mich darüber und bin dankbar, dass mir so viele diese doch häufig so persönlichen Erinnerungen schenken. Häufig verknüpft sich damit dann in mir ein biblisches Wort oder ein Lied, dass dann zum Ausgangspunkt der Trauerpredigt wird. Beim anschließenden Kaffeetrinken und Schnittchenessen kommen dann noch ganz neue Bilder dazu, da wird von den Freundschaften gesprochen und von den Jugendstreichen, vom gemeinsamen Älterwerden und der Traurigkeit über den Verlust eines weiteren Weggefährten.
Und gleichzeitig bleiben natürlich immer auch Lücken im Mosaik der Erinnerung. Vieles wissen wir häufig nicht. Was die Verstorbenen selbst gehofft und geglaubt haben zum Beispiel. Oder was ihre Lieblingskirchenlieder waren, welcher Bibelvers ihnen Licht auf dem Weg war. Ob und wie sie sich das ewige Leben jenseits des Todeshorizonts vorstellen.
Als meine Oma vor vier Jahren starb, da hatte sie mich schon im Vorfeld zu sich bestellt. Damals fand ich es irgendwie in gewisser Weise skurril, wie sie da in ihrem Sessel saß und sagte: „Wenn ich sterbe, da möchte ich im Nachthemd und mit Socken beerdigt werden, nicht in Ausgehkleidung. Es soll so sein, als würde ich zu Bett gehen.“ Und ich musste ihr versprechen, dass ich ihre Wünsche in jedem Fall umsetze, und außerdem dafür Sorge trage, dass ihre Lieblingslieder gesungen würden. „Die anderen kennen diese Lieder nicht so gut, darum sag ich dir das.“ Tja, Oma wusste was sie wollte und es tat uns beiden gut, so offen über diesen Tag zu sprechen, der einmal kommen würde. Und als es soweit war, fühlte ich mich sehr mit ihr verbunden. Weil ich auch etwas von ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen wusste, die sich zu unseren Bildern dazufügten. Mein Papa pflegt heute auch schon zu sagen, welches Shanty ich singen soll, wenn es bei ihm einmal so weit ist, aber so Gott will, hat das noch Zeit.
Moment mal, warum führe ich das so sehr aus? Weil ich euch ermutigen möchte nicht voll Angst auf den Tod zu sehen, sondern ihn zum Thema zu machen. Christenmenschen glauben, dass der Tod nicht das Ende ist. Dass das Sterben nur ein weiterer Schritt ist, so wie der Schritt der Geburt ins Leben. Und so wie es zur Geburt einiges vorzubereiten gibt, so sollte es keine Scheu geben, auch den letzten Weg in dieser Welt ins Gespräch zu bringen. Wer weiß, vielleicht seid ihr überrascht, welche unbekannten Seiten ihr bei euch und euren Lieben entdecken könnt.
Herzlich, Pfarrerin Anna Trapp
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