Moment Mal
von Superintendent i.R. Peter Heß
Liebe! Was ist das eigentlich? Etwas was in Romanzen gehört? Ein kurzzeitiger Genuss? Eine Erfahrung, die eben doch nicht lange hält? Was ist Liebe?
Vielleicht ist es das älteste Thema des Menschen. Allemal ist es aber die nie endende Sehnsucht des Menschen und mit Sicherheit können wir nicht wirklich ohne Liebe leben. Ist es also das „Lebensmittel“, das unverzichtbar ist?!
Da fallen mir Stichworte ein wie Annahme, Geborgenheit, Fürsorge, Wertschätzung, Nähe, Zärtlichkeit, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Vergebung u.s.w. Liebe, das Thema für die Ehe und Familie, aber eben auch für jede andere zwischenmenschliche Beziehung und Begegnung.
Ein Blick in die Tierwelt lässt leicht erkennen: Leben ohne Liebe gibt es nicht wirklich. Manchmal kann man da sogar etwas lernen, wenn die Fürsorge der „Eltern“ für die Jungen zu beobachten ist. Aber auch liebevoller Umgang zwischen den Paaren ist zu sehen. Sogar das Geheimnis von Treue ist da manchmal beschämend erlebbar.
Und damit sind wir längst bei der Erfahrung: Liebe ist kein Selbstläufer, kein hormoneller Automatismus, dem man sich nur hingeben muss. Liebe gewinnt ihre Schönheit und Strahlkraft aus Hingabe, Treue und Leidenschaft. Und schon müssen wir aufpassen bei der richtigen Definition, mindestens was Leidenschaft betrifft. Der Wortanteil „Leiden“ umfasst was Liebe im Kern und in der Tiefe ist.
Es ist eben keine Dauerbelustigung und Spaßerfahrung. Glück im Sinne von ewigen Schwebezuständen gibt es nicht. Wären Sie nicht auch langweilig und sinnlos. „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“
Das Gesetz Christi ist Liebe. Das ist bei Jesus gesetzt. Das neue Testament, der zweite Teil der Bibel, erzählt uns sein Liebesprogramm. Typen, die man eigentlich besser stehen lässt - Jesus wendet sich ihnen zu.
Menschen, die gerade gar nicht gut drauf sind - ER ist bei ihnen. ER bleibt stehen. ER berührt sie liebevoll und betet für sie. Anders gesagt: ER schleppt sie mit nach Hause zu Gott, seinem Vater, und erbittet SEINE Fürsorge und Hilfe. Menschen mit Verlusterfahrung unter Trauer und Tränen und Schmerzen - ER sucht sie geradezu und fängt sie auf.
Die, die IHN enttäuscht haben, seine Freunde, werden nicht abgehängt, sondern er spricht mit ihnen und lässt sie spüren, dass er an ihnen festhält. Die, die IHN gequält und ans Kreuz gebracht haben, hören sein Gebet: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Da haben wir es. Wie oft wissen wir nicht, was wir anrichten. Ein Wort, eine Geste- ich habe es nicht bemerkt und der andere ist verletzt. Ein Verhaltensmuster, welches für mich normal ist, eine Angewohnheit, und der andere kann sie nicht mehr ertragen. Wie oft ist auch das, woran ich im Blick auf den anderen leide das, was ihm selbst zu schaffen macht. Er leidet an sich selbst.
Ich erinnere mich an eine Kollegin. Sie hatte eine etwas spröde oder auch herbe Art und wirkte streng. Irgendwann hatte ich den Mut, sie darauf anzusprechen. Ihre Antwort, die mich erstaunt hat, war nicht Selbstverteidigung, sondern ein trauriges: Das macht mir selbst viel Mühe. Ich leide da an mir selbst. Dies Erfahrung hat mich in meiner Wahrnehmung verändert.
Wie gut, dass sich in der Liebe Türen öffnen, durch die wir gehen können und verstehend beieinander bleiben. Sicher kostet es immer wieder Mut zur Offenheit und Bereitschaft zum Gespräch. So ist Liebe überraschendes Geschenk und tägliche Herausforderung. Nie wird sie selbstverständlich sein und nie kann ich sie einfordern.
Sie bleibt Wunder und Aufgabe zugleich. Liebe lohnt sich immer, allemal für mein Gegenüber.
Einen Kommentar schreiben