Moment mal
von Wilfried Schmidt
Gedanken zum Volkstrauertag
Vor 26 Jahren war ganz Deutschland im Ausnahmezustand: die lang ersehnte Freiheit war endlich da. Und mit der Freiheit waren große Hoffnungen verbunden. Die Grenze war gefallen, nun konnte endlich wieder zueinander, was zueinander gehört.
Auch andere Grenzen sind gefallen. Und das tat und tut der Zukunft unseres Landes nicht in jedem Fall gut. Wenn z.B. gute Werte, die einem guten Miteinander und klarer Orientierung dienen, ausgehebelt werden. Oft mit dem Slogan: „Was für den einen gut ist, muss ja noch lange nicht für andere gut sein!“
Die Idee der persönlichen Freiheit als „tun und lassen können, was man will“ hat viele Freunde. „Ich lass mir von keinem drein reden.“ „Was haben andere mir schon zu sagen!“ Aber Freiheit ohne Grenze ist ein Irrtum. Meine Freiheit hat ihre Grenze spätestens an der Verantwortung: ich werde gefragt, was ich aus meiner Freiheit gemacht habe und werde antworten müssen. Vielleicht lassen mich viele Menschen in Ruhe, kann sein. Denen, die mich nicht einfach nur „mein Ding machen lassen“, sollte ich ruhig mal Gehör schenken. Vielleicht gibt es ja doch noch mehr, als ich sehe.
Und am Ende meiner Tage werde ich mich noch jemandem gegenüber verantworten müssen: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ Das ist der Bibelspruch, der über diese Woche geschrieben ist (aus 2. Korinther, Kapitel 5).
Nein, keine Angstmache! Aber doch ein Punkt, der mich in meinem Entscheidungen in eine gute Richtung weist: Was würde denn Jesus dazu sagen? Das kann helfen, sinnloses Verplempern meiner Freiheit und Lebenszeit zu verhindern bzw. auch Dinge, die nicht gut sind, klarer zu erkennen und sein zu lassen.
Und wenn ich dann doch daneben getappt bin? Da hält er mir seine Hand hin und sagt: 'Ich vergebe Dir, vertraue Dich mir an. Komm, wir fangen neu an und gemeinsam wird was Gutes aus deinem Leben.' Angst brauch ich wirklich nicht vor ihm zu haben. Er ist barmherzig und vergibt dem, der ihn darum bittet.
Am Sonntag war Volkstrauertag – Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege und anderer Gewaltherrschaften. Wohl alle Gewalt und alle Kriege haben angefangen, weil andere mit ihrer Freiheit und ihren Bedürfnissen (bewusst) außen vor gelassen wurden. Hauptsache ich, Hauptsache wir!
So dürfen die Gedanken anlässlich des Volkstrauertages über die Trauer über alles Unrecht und Leid hinausgehen und mich auch dahin bringen, dass ich überlege: Hab und Gut, Gesundheit und Leben meines Nächsten sollen mir nicht egal sein. Wie kann ich meiner Verantwortung anderen gegenüber gerecht werden?!
Wir können Gott dankbar sein für unsere Freiheit. Ja! Und diese dürfen wir gern auch in den Dienst anderer stellen oder für ein gutes Miteinander einschränken. Auch ich lebe ja davon, dass andere um meinetwillen ihrer Freiheit Grenzen setzen und nicht nur an sich und „ihr Ding“ denken.
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