Wir sind Gottes Volk!
von Pfr.i.R. Johannes Kölbel
Am 7. Oktober 1989 bin ich mit vielen Hunderten, nach einem Fürbittengebet in der Ostberliner Gethsemanekirche, in Richtung Alexanderplatz gegangen. Kerzen der Hoffnung standen in den Fenstern. Wir hatten Angst. Wird geschossen? Wir riefen: Keine Gewalt - Wir sind das Volk! Ich wusste: Nur Gebete und gewaltfreie Aktionen konnten zur gesellschaftlichen Veränderung führen. Und es blieb, mit der Kraft des Volkes und mit göttlichem Schutz, friedlich.
Heute gehöre ich nicht zu denen, die ein deutsches Volk ohne Geflüchtete sein wollen. Ich gehöre nicht zu denen, die mit der Gewalt der Worte oder des Feuers ihrer Angst vor zu vielen Fremden, der eigenen sozialen Benachteiligung oder ihrer Wut über eine unklare Flüchtlinspolitik, Luft machen.
Ich gehöre stattdessen weiter zu dem weltweiten Gottesvolk. Demnach sind die Geflüchteten meine Geschwister im Glauben an den einen Schöpfergott, der uns Menschen eine unauflösbare Würde gegeben hat. Diese gemeinsame Würde, die Achtung und Wertschätzung füreinander, gilt es jetzt zu bewahren, wollen wir weiter ein christliches Abendland sein.
Die Lage ist ernst.Die vergangenen und die aktuellen Übergriffe auf Geflüchtete in Sachsen und anderswo sind für mich beschämend.Tiefen Respekt habe ich vor denen, die sich ehrenamtlich für die Versorgung und Integration der Geflüchteten in unserem Land einsetzen. Wir müssen dringend miteinander reden: Deutsche mit Deutschen, Geflüchtete mit Einheimischen.
Die Kirchengemeinden werden Orte sein können, in denen alle Argumente zur Sprache kommen. Runde Tische haben sich bewährt.Wenn wir uns nicht in die Augen schauen, werden wir unser menschliches Gesicht verlieren.Wir sind ein Volk in einer Völkergemeinschaft, ein Volk, das ohne Mauern im Kopf und ohne Zäune an den Grenzen, leben kann.
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