Moment mal

von Pfr.i.R. Johannes Kölbel

Kein Mensch ist nur gut!

Jedes Jahr werden giftige, das Gespräch vergiftende Worte als „Unworte“ erklärt. Sprachwissenschaftler haben auch deshalb den Begriff „Gutmensch“ als Unwort 2015 erklärt. Das ist richtig und das ist wichtig. Wir müssen auf unsere Sprache achten, ob sie verletzt oder hilfreich ist in der Verständigung. Jeder Krieg und jeder Terror beginnt mit Worten. Wer einen anderen Menschen als „Gutmenschen“ bezeichnet, steht selbst schlecht da. Er unterstellt dem Anderen, daß er mit seiner Hilfsbereitschaft, mit seinem Verständnis für die Not Anderer und mit seiner Uneigennützigkeit schief liegt, ja vielleicht sogar krank ist. Und er oder sie selbst sind all zu oft Leute mit der Hand im Schoß und vielleicht sogar einem: „Gott wird’s schon richten.“ Ein „Gutmensch“ gilt als ein naiver Zeitgenosse, der sich über den Tisch ziehen lässt. Ein „Gutmensch“ hat eine „Helfermacke.“ Und der, der das Wort verwendet, stellt sich allzu oft als der dar, der durchsieht, clever und Realist ist.

Solche Diffamierungen können wir derzeit in Deutschland nicht brauchen. Ich spüre, daß die Politiker mit der Riesenpalette von Problemen oft überfordert sind, wiedergewählt werden wollen, abwägen müssen oder sich dem Fraktionszwang beugen. Es braucht Menschen, die einfach loslegen, sich zusammenschließen, sich wehren und den Anfang riskieren. Das Gerede von den „Gutmenschen“ zeugt von Arroganz, Besserwisserei und Überheblichkeit. Es ist Stammtischvokabular nach der Weise: „Mann und Frau kann eh nichts machen. Es bringt nichts. Es gibt keinen Dank. Ich mache mich nur zum Trottel, wenn ich meinem Herzen folge und anpacke.“

Und: Kein Mensch ist nur böse! Vielleicht mache ich mir mit der folgenden Bemerkung keine Freunde: Als ehemaliger Gefängnisseelsorger im Jugendvollzug weiß ich, daß mancher Mensch gar nicht böse, räuberisch oder mörderisch sein wollte. Ich glaube, auch manch Selbstmordattentäter wollte friedlich leben, sah aber keine andere Chance mehr wichtig zu sein und Aufmerksamkeit zu bekommen.

Das Wort des Jahres 2015 ist „Flüchtling.“ Auch ein Flüchtling ist nicht nur gut oder komplett kriminell. Flüchtlinge brauchen Helfer und sie selbst können Helfer sein.

Ich mag es an Jesus, daß er den Menschen als Geschöpf Gottes nicht verteufelt und nicht vergöttert. Das war und ist sehr hilfreich, ja sogar heilsam.

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