Bleiben Sie ein Weilchen hier!
von Kerstin Beck
Mit Marcel Borchers gibt es nach fast zwei Jahren wieder einen Pfarrer im Sprengel Westprignitz
Aus der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 17.01.2017, S. 14
Am Sonntagvormittag im Gemeinderaum der dortigen Kirchengemeinde um Punkt 9.20 Uhr: Das Doppelzimmer ist mehr als voll besetzt, und ganz vorn hat sich jetzt ein junger Pfarrer hingesetzt, um in den letzten zehn Minuten vor
Am Sonntagvormittag im Gemeinderaum der dortigen Kirchengemeinde um Punkt 9.20 Uhr: Das Doppelzimmer ist mehr als voll besetzt, und ganz vorn hat sich jetzt ein junger Pfarrer hingesetzt, um in den letzten zehn Minuten vor Beginn des Gottesdienstes kein Lampenfieber hochkommen zu lassen. Die Gemeindemitglieder sind voller Erwartung.
Dann geht es um 9.30 Uhr los, und alles klappt wunderbar, denn zur Feier des Tages ist sogar in „Kammerbesetzung“
der Perleberger Posaunenchor unter der Leitung von Andreas Draeger gekommen, der die Messe mit kleinen Intraden
des Komponisten Jörg Michels und anderen Stücken umrahmt.
An diesem Tag wird endlich eine Lücke geschlossen: Nachdem Pfarrer Rudolf Klehmet, der dem Kirchsprengel Westprignitz zuletzt vorstand, am Pfingstsonntag 2015 in den Ruhestand verabschiedet worden war, gab es in der Region eine Pfarrer-Vakanz – für die ausgeschriebene Stelle fand sich kein Interessent. Für die im Sprengel Berge-Neuhausen tätige Geistliche Angelika Harnack stellte die Vakanzvertretung eine übergroße Belastung dar – so konnte die Gemeinde nur eines tun: mit eigenen Kräften das Gemeindeleben so gut, wie es eben ging, zu erhalten.
Doch im Herbst vergangenen Jahres zeigte sich ein Hoffnungsstreifen am Horizont. Marcel Borchers, der gerade im Kirchenkreis Berlin-Tempelhof sein Vikariat absolvierte, hatte auf einer Karte gesehen, wo es Stellen im Entsendungsdienst gibt, sich für die Region interessiert und war hierhergefahren.
„Das war am 15. Oktober“, erinnert sich Detlef Guhl, Kirchenältester in Boberow, Mitglied im Kreiskirchenrat und der Landessynode, der zusammen mit dem damals noch amtierenden Superintendenten Daniel
Feldmann den jungen Anwärter auf seiner Entdeckungsfahrt durch den Pfarrsprengel begleitete. „Das dauerte
fünf Stunden. Wir haben ihm die Kirchen gezeigt und sind mit ihm durch den Sprengel gefahren, damit er sich ein Bild davon machen kann, was auf ihn zukommt“.
„Da sah ich dann im Groß Warnower Pfarrhaus, dass die Steckdosen noch fehlten und auch die Farbgebung der Wände. Es wurde mir gesagt, dass man das jedoch so gestalten würde, wie es der neue Pfarrer haben möchte. Und da wusste ich, dass ich hier willkommen bin!“, sagt der neue Pfarrer zu seiner ersten Besichtigungstour durch die Region. Am 1. Januar hat er seine Arbeit aufgenommen.
Überraschendes erlebte der gebürtige Berliner bereits kurz nach seinem Antritt. Gleich am 2. Januar kam die Nachricht, dass in einem Ort des Kirchsprengels eine Beerdigung stattfinden werde. „Als ich diese dann durchführte, war ich davon beeindruckt, dass etwa 100 Trauergäste da waren. Da spürt man auch den Zusammenhalt der Leute in der ländlichen Region. In Berlin habe ich es erlebt, dass manchmal nur zwei Menschen anwesend waren“, sagt Marcel Borchers dazu.
Dafür gibt es hier in Boberow auch wieder ein schönes Erlebnis: Nach dem Gottesdienst stehen die Leute Schlange, um sich bei dem neuen Pfarrer zu bedanken. „Wir freuen uns!“, ist immer wieder zu hören. „Schön, dass Sie da sind, bleiben Sie ein Weilchen hier!,“ sagt die 89-jährige Ehefrau des vor 30 Jahren in den Ruhestand verabschiedeten ehemaligen Perleberger Superintendenten Albrecht Bartel, die extra aus Bad Wilsnack hergekommen ist, zu dem fröhlich lächelnden Geistlichen.
„Ich fühle mich richtig gut hier“, sagt Marcel Borchers, der bald wieder weg muss, denn sein nächster Gottesdienst beginnt in Groß Warnow um 11 Uhr. „Im nächsten Gemeindebrief werde ich mich den
Leuten in einem kleinen Artikel auch vorstellen!“
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