Bericht über die Orgelsanierung in der St. Jacobi-Kirche Perleberg
von Dorothea Uibel
Die Orgel
Die Orgel in der St. Jacobi-Kirche zu Perleberg hat 35 Register, verteilt auf drei Manuale und Pedal. 2.496 Pfeifen stehen auf pneumatischen Kegelladen. Im Jahr 1958 wurde das Instrument von der Firma Jehmlich aus Dresden gebaut. Dabei übernahm man das klassizistische Gehäuse der Vorgängerorgel. Diese war ein Werk der Firma Faber und Gräve aus dem Jahr 1913. Auch etliche Register der früheren Orgel wurden wieder eingebaut, so dass sich nun darin Pfeifen von mindestens fünf verschiedenen Orgelbaumeistern befinden.
Die letzte Generalinstandsetzung war im Jahr 1995 von der Firma Sauer durchgeführt worden.
Der Anlass
Nach nunmehr 20 Jahren traten wieder einige Störungen auf, das Orgelinnere war verschmutzt und es gab Schimmelbefall sowie Holzwurmspuren. Daher war im Jahr 2016 wieder eine Restaurierung und Ausreinigung fällig.
Am Gehäuse, an der Windanlage an den Kanälen, auf Holzpfeifen, Metallpfeifen (bzw. auf deren Staubschicht), Membranleisten, Windladen und im Inneren des Spieltisches fand sich Myzel in verschiedenen Ausprägungen.
Verschiedene Schimmelarten sind sowohl für das Material als auch für den Menschen hochgradig gesundheitsschädigend. Da sich Pilzsporen aerogen ausbreiten, sind -besonders in unserem Fall angesichts des pneumatischen Wechselwindsystems- Organisten und sonstige Menschen, die mit der Orgel in Kontakt kommen, stark betroffen.
Die letzte Ausreinigung, im Jahr 1995, war 20 Jahre her und die Orgel war dementsprechend verschmutzt. Der Bund Deutscher Orgelbaumeister empfiehlt eine Ausreinigung alle 15-20 Jahre. Daher war nun die Zeit dafür wieder gekommen und sie sollte Kosten sparend zusammen mit der notwendigen Schimmelsanierung durchgeführt werden.
Die Entscheidung
Das Angebot der Firma Dutschke aus Salzwedel überzeugte am meisten, da es als einziges von dreien neben den notwendigen Reparaturen auch eine Erhöhung des Winddruckes mit anschließender Neuintonation vorsah. Der Gemeindekirchenrat hat sich dafür entschieden und so wurden zwischen Mai und Dezember 2016 folgende Arbeiten an der Orgel durchgeführt:
Die Aktion
Die Manualklaviaturen wurden ausgebaut, um das seitliche Spiel abzustellen und den sehr unterschiedlichen Tastendruck auszugleichen.
Der Schwellertritt für das dritte Manual ließ sich im bisherigen Zustand kaum bedienen, ohne akrobatische Verrenkungen mit dem Fuß anzustellen. Er wurde neu eingestellt.
Innerhalb des Spieltisches gab es zunehmend Störungen bei den Register- und Koppeleinschaltungen sowie Tonausfälle bzw. -verzögerungen, hervorgerufen durch defekte Membranen und vereinzelt gelöste Bleirohre. Um diese zu beheben, musste der gesamte Spieltisch ausgebaut werden und damit nicht verschleißbedingt sukzessive neue Fehler auftreten, wurden alle Membranen erneuert.
Die Kanzelle, auf der die Basspfeifen vom Prinzipal 16' stehen, lag auf der Nordseite nur auf einer instabilen Hilfskonstruktion. Es gab einige klappernde Prospektpfeifen und vereinzelt aus den großen Pedalpfeifen herausgebrochene Stimmrollen. Hier war eine Nachbesserung erforderlich.
Um die zu großen Windschwankungen der Orgel auszugleichen, wurden fünf weitere Bälge als Stoßfänger eingebaut: Diese kleinen Ausgleichsbälge, die sonst in jeder Orgel mit Kegelladen vorhanden sind, fehlten leider in unserer Orgel. Offenbar hatte man das beim Bau im Jahr 1958 nicht für nötig gehalten. Der nachträgliche Bau dieser Stoßfänger war also eine einmalige Investition. Damit wurde ein Versäumnis aus dem Jahr 1958 nachgeholt.
Außerdem wurden Undichtigkeiten an den Schwimmerbälgen im Bereich der Zwickel beseitigt.
Die Tremulanten im Schwellwerk und im Positiv wurden neu eingestellt und sind nun musikalisch sinnvoll verwendbar.
Die Neuintonation
Die Orgel hatte erhebliche Intonationsmängel: Die romantischen Register, die in dieses Instrument integriert wurden, standen ursprünglich auf höheren Winddrücken und haben dementsprechend hohe Aufschnitte, während die Jehmlich-Register dem zuletzt niedrigeren Winddruck entsprechende Aufschnitte hatten. Dadurch klangen die grundtönigen Register zu schwach und die höheren Register im Verhältnis dazu zu scharf. Um einen ausgewogenen Klang zu erzielen, mussten die Winddrücke und dann auch die Aufschnitte der Jehmlich-Pfeifen erhöht werden.
Die Flöten und Gedackte, insbesondere Gedackt 8' im Positiv und Rohrflöte 8' im Hauptwerk, klangen grob und unausgeglichen.
Nicht nur die verschiedenen Register untereinander mussten besser aufeinander abgestimmt werden, sondern auch innerhalb der einzelnen Register gab es Unregelmäßigkeiten.
Es war also eine grundlegende Neuintonation unter veränderten Windbedingungen nötig: Jede einzelnde Pfeife wurde nach dem geschulten Gehör der Orgelbauer beurteilt, von Hand beschnitten und mit allen anderen Pfeifen des entsprechenden Registers in klangliche Übereinstimmung gebracht. Dabei wurde auch darauf geachtet, dass die verschiedenen Register untereinander harmonisch zueinander passen.
Die Zusatzarbeiten
Während der Arbeiten fielen weitere Mängel auf:
Sowohl viele Pedaltöne als auch die Register Quintatön 16' und Prinzipal 8' klapperten, bedingt durch den höheren Winddruck, stark. Sie wurden erneut ausgebaut und die Ventile neu beledert.
Im Prinzipal 8' des Schwellwerks waren acht Pfeifen der hohen Lage zu kurz für die neuen Windverhältnisse und sie mussten verlängert werden.
Außerdem bekamen zwei Pfeifen im Schwellwerk einen anderen Standort mit dazugehörenden Windleitungen, Pfeifenstöcken und Anhängevorrichtungen: Sie standen vorher so gedrängt, dass sie keinen vernünftigen Ton von sich gaben.
Zur Verbesserung der trägen Tontraktur wurden neue Windleitungen vom Motor mit höherem Winddruck installiert und die alten Windzuführungen entfernt. Die zeitliche Verzögerung, mit der der jeweilige Ton nach Tastendruck erklingt, verringerte sich dadurch. Das erleichtert das Spielen von Tonrepetitionen und schnellen Läufen.
Die Finanzierung
Durch die zuletzt genannten zusätzlich notwendig gewordenen Arbeiten hat die Renovierung etwas länger gedauert als zunächst angenommen und die Kosten erhöhten sich leicht auf insgesamt 61.261,20 €.
Unterstützt wurde die Kirchengemeinde, die den größten Anteil der Kosten selbst trägt, durch Förderungen des Evangelischen Kirchenkreises Prignitz, des Förderkreises „pro musica“, der Stadt Perleberg, der Jugend- und Kulturstiftung der Sparkasse Prignitz sowie aus dem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes. Die Kirchengemeinde Perleberg bedankt sich bei ihnen allen und ebenso bei den zahlreichen bekannten und unbekannten privaten Spendern.
Nicht vergessen werden sollen auch all jene, die durch praktische Hilfe in Form von Kirchenführungen, Konzerten, Flohmärkten, Postkartenverkauf u. a. bei der Spendensammlung geholfen haben.
Das Ergebnis
Die Orgel klingt jetzt höher - jedoch nur so wenig, dass das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten nicht beeinträchtigt wird.
Vor allem aber klingt sie ausgeglichener, glanzvoller und farbiger, dafür weniger schrill.
Einige Register, die früher eher ein Schattendasein führten, z. B. manche Flöten, kommen jetzt erst richtig zur Geltung. Die einzelnen Register haben je ihren eigenen Charakter und können gut solistisch verwendet werden. Somit klingen nun auch leise Musikstücke interessant und abwechslungsreich.
Andere Register, die vorher der Gemeinde kaum zumutbar waren, wie z. B. die Mixtur im Hauptwerk, können jetzt gut genutzt werden.
Die grundtönigen Register sind tragfähiger als früher. Es ist nicht mehr wie bisher erforderlich, zum Plenum auf dem Hauptwerk Register von anderen Manualen hinzuzukoppeln, sondern die Klangfülle des Hauptwerks allein genügt.
Somit erschließen sich nach der Restaurierung nicht nur neue Möglichkeiten hinsichtlich der Literaturauswahl, der Improvisation und der Gemeindebegleitung, sondern die Zuhörer werden generell größere Freude an der Orgelmusik haben.
Wieder zu hören war die Orgel bereits vor Beendigung der Arbeiten am Totensonntag und dann während der Advents- und Weihnachtszeit.
Sogleich wurde deutlich: Die Mühe der Neuintonation hat sich für die Gemeinde gelohnt. Vielen Zuhörern ist sofort beim ersten Hören der klangliche Unterschied aufgefallen.
Ein erster Höhepunkt war der musikalische Gottesdienst an Silvester und ein vorläufiger Schlusspunkt wurde mit der berühmten Widor-Toccata im Neujahrsgottesdienst gesetzt: Da konnte man hören, dass die Orgel nun auch bei voller Registrierung angenehm im Ohr klingt.
Ein offizielles Konzert zu Wiederinbetriebnahme wird es nach Ostern geben, wenn die Gottesdienste nicht mehr im Gemeindezentrum, sondern wieder in der großen Kirche stattfinden.
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Kommentar von Dieter Schone |
Sehr geehrte Damen und Herren,
habe mit Interesse den Bericht über die Renovierung Ihrer Orgel gelesen und möchte anfragen, ob es eine Festschrift zur Einweihung gegeben hat. Bitte senden Sie mir ggf. ein Exemplar gegen Rechnung zu.
Meine Anschrift: Große Lache 4, 61273 Wehrheim.
Für Ihre Mühe danke ich Ihnen herzlich!
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Schone