Abschied & Dank

von Pfrn. Ute Eisenack

Pfarrer i.R. Gottfried Winter gestorben

„Heff keen Bang nich!“ (Hab keine Bange, habe keine Angst)  –
mit diesen Worten begann Gottfried Winter am 01. September 2001 seine erste plattdeutsche Predigt in der Dorfkirche Sewekow, so erinnert sich Heidi Schäfer, Leiterin der Kinnerschool in Sewekow (Kinderschule Sewekow) und Mitglied im Bundesrat för Nedderdüütsch. „Heff keen Bang nich“– diese Predigt 2001 war ein Auftakt: eine Predigt – anders, als man sie sonst in der kleinen Kirche hörte: einfach in den Worten und doch klar – kritisch, aber auch: zu Herzen gehend! Sie war eben in Plattdeutsch... Pfarrer Gottfried Winter nahm kein Blatt vor den Mund: „Heff keen Bang nicht!“ – rief er den Zuhörern zu – die noch lange nach dem Gottesdienst das Gespräch mit ihm suchten. Und er versprach wiederzukommen! 13 Jahre lang hielt er der kleinen Sewekower  Dorfkirche nordöstlich der Stadt Wittstock die Treue. „Darauf blicken wir mir großer Dankbarkeit!“, so Heidi Schäfer.

Bereits 1981 feierte er seinen ersten plattdeutschen Gottesdienst in der Kirchengemeinde, in der er als seelsorgender Pfarrer tätig war: in Groß Breese. Mit den Jahren entwickelte sich die plattdeutsche Arbeit weiter: einen großen plattdeutschen Büchertisch immer ausbreitend, so erlebten und erinnern viele Menschen in Groß Breese und Weisen, Kleetzke, Wittenberge, Havelberg, Bad Wilsnack, Lenzen, Mödlich, Bälow und Lanz Gottfried Winter. Dieser Muttersprachler mit dem Westprignitzer Dialekt hatte einen großen Wirkungskreis: Gottesdienste in Hamburg - Groß Borstel über Potsdam bis Sewekow - sie alle sind in seinen plattdeutschen Predigtbänden als niederdeutsche Predigtorte dokumentiert.

Doch Gottfried Winter blieb den Menschen z.B. in Sewekow nicht nur wegen seiner emotionalen Gottesdienste und kraftvollen Predigten in Erinnerung. Bereits  1998 hatte er sich der Gruppe „Freunde der niederdeutschen Sprache – Sewekow und Umgebung“ angeschlossen, zu denen neben Sprechern aus vielen Dörfern rings um Sewekow herum, auch der Sprachwissenschaftler Dr. Wolfgang Dost und die Mitglieder der Mundartgruppe „Plattmoker“ (Die Plattmacher) angehörten. Sie alle hatten ihre unterschiedlichen Zugänge und Bezüge  zur plattdeutschen Sprache –  allen gemeinsam war jedoch die Sorge „üm dat Plattdüütsche". Das Credo Gottfried Winters war hierbei: „Plattdeutsch sollte Chancen behalten oder neu eingeräumt bekommen: weil Plattdeutsch den Umgangston nicht kälter macht, sondern wärmt und weil es anschaulich, verständlich und bildhaft ist!“ Sein unermüdliches Engagement - ünnerwaagens to de Minschen - (unterwegs zu den Menschen) ließ ihn in vielen darauffolgenden Jahren für das Niederdeutsche eintreten: Bereits 1992 und damit weitsichtig initiierte er erstmals ein Treffen: Plattdeutsch Interessierte aus 4 Landeskirchen (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Berlin-Brandenburg) haben seither eine gemeinsame Plattform für inhaltlichen Diskurs, für Begegnung und Austausch. Im selben Jahr gründete er mit Gleichgesinnten einen plattdeutschen Arbeitskreis in der Berlin-Brandenburgischen Kirche. Ihm wurde das Verdienstkreuz am Bande für Verdienste der Bundesrepublik Deutschland  zum den Erhalt des Prignitzer Platt 2002 überreicht.

In Wittstock wurde 2008 die „Initiative zur Rettung der niederdeutschen Sprache und Kultur“ ins Leben gerufen, welche Gottfried Winter für Plattdeutsch in unserer Berlin-Brandenburgischen Kirche mit unterzeichnete.
Es war die Gabe Gottfried Winters, Unterschiedliches nicht gleich zu machen und Vielfalt dennoch zusammen zu halten. Für die Gründung des„Vereins für Niederdeutsch im Land Brandenburg“ und für das Bekenntnis des Landes Brandenburg zu seiner Regionalsprache Niederdeutsch 2018 war Gottfried Winter ein entscheidender Wegbereiter!

„Plattdüütsche Literatur für die Schule“, „Max und Moritz“ ins Westprignitzer Platt übertragen, das Prignitz-Platt auf CDs, seine plattdeutsche Predigen und sein vielfältiges Engagement für das Plattdeutsche in gesprochenem, geschriebenem und gebetetem Wort hat die Weichen auf Zukunft gestellt. Dieses „platte Anliegen“ fortzuführen, daran liegt es nun an uns, den nachfolgenden Generationen.

Im Alter von 82 Jahren ist Gottfried Winter am 09. März 2020 gestorben. Zuletzt war er in Bad Wilsnack zu Hause. „Hew keen Bang nich!“ können wir ihm und uns erinnernd zurufen. Denn wi verdrugen dorup: uns Läben mit God - dat geiht dörch den Dod hendörch un dat Plattdüütsche – dat wat ok nich starben. „Hewt kein Bang nich!“ (Denn wir vertrauen darauf: unser Leben mit Gott - das geht durch den Tod hindurch und das Plattdeutsche – das wird auch nicht sterben. Habt keine Bange!)

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