Moment Mal

von Pfarrerin Anna Trapp

„Wann hört Oma auf tot zu sein?“ fragt Nele. Ihre Oma Ilse ist in der Nacht gestorben. Die Eltern gucken sich traurig an. „Gar nicht“, sagt Neles Papa, „wenn jemand stirbt, dann ist der Körper für immer tot. Jedes Lebewesen, Pflanze, Tier und Mensch stirbt irgendwann. Damit müssen wir leben.“

Papa nimmt Nele tröstend in den Arm. Seine Wange ist tränennass. „Das ist so blöd!“, weint jetzt auch Nele. Sie hat Oma Ilse sehr lieb gehabt. Gemeinsam haben sie oft Waffeln gebacken und unter der großen Kastanie im Garten auf der Bank Herz um Herz ratzeputz aufgegessen. Oma Ilse hat aus ihrer Kindheit erzählt und mit Nele Abzählreime gespielt. Nele kann nicht verstehen, dass Oma Ilse jetzt nicht mehr mit ihr spielen kann. „Ja, ich finde es auch traurig“, sagt Neles Mama. Und dann schweigen alle einen Moment.

„Was passiert denn jetzt mit Oma?“, fragt Nele unvermittelt. Sie ist zwar traurig, aber auch neugierig. Neles Mama schaut ihre Tochter unsicher an, dann sagt sie ruhig: „Frau Reinhard kommt gleich und wird den toten Körper von Oma abholen. Wir werden sie waschen und ihr ihr Lieblingskleid anziehen.“ „Das mit den bunten Blumen?“ „Ja, genau das. Später wird Oma Ilse dann bei der Bestatterin in einem Sarg liegen. Dort können sich dann auch Karla und Ben von ihr verabschieden. Wenn du magst, darfst du auch nochmal mitkommen.“

Karla ist Neles Tante, Ben ist Neles großer Cousin. Nele überlegt: „Darf ich Oma etwas basteln?“ „Das fände ich sehr schön“, sagt Papa. Nele läuft in den Garten zur Kastanie. Es ist Herbst. Sie will für Oma etwas aus Kastanien machen. Als sie später bei der Bestatterin mit den anderen „Auf Wiedersehen“ zu Oma sagt, hält Nele ihr Geschenk fest in den kleinen Händen. Es sieht so aus, als würde Oma lächeln.

Als Nele vorsichtig die Kastanien ablegt, spürt sie das Omas Hände ganz kalt sind. Sie erschrickt. „Oma ist ja ganz kalt.“ „Stimmt“, sagt Tante Karla. „Das ist so, wenn man tot ist. Das Leben fehlt.“ „Wo ist denn das Leben?“, fragt Nele. „Hmm. Das Leben, das ist die Seele des Menschen, das was ihn ausgemacht hat. Ich glaube, Oma Ilses Seele ist bei Gott.“ Nele geht in die evangelische KiTa. Die Vorstellung das Omas Seele jetzt beim lieben Gott wohnt gefällt ihr gut. „Wie ist es da?“ fragt sie. „Ich glaube, es ist schön“, mischt sich Ben ein.

„Wie stellst du es dir denn vor, Nele?“, fragt Papa. „Vielleicht wie ein großer Garten“, sagt Nele und erinnert sich, wie sie in der KiTa vom Paradiesgarten erzählt haben. „Na das passt doch.“ lächelt Mama.

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