Moment Mal

von Pfarrer Valentin Kwaschik

Auf Distanz zu leben ist schwer. Von Vielen hören ich: Die Luft ist raus nach bald acht Wochen. Das Leben muss wieder losgehen. Ja, aber ich will gar nicht, dass alles wieder so wird, wie es mal war. Der alte Trott war auch nicht so toll. Im Hamsterrad laufen, oft von Termin zu Termin hecheln, wenig Zeit mit der eigenen Familie. Effizienz als Maß für Vieles.

Ich denke an eine berühmte Geschichte aus der Bibel. Mose befreit die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten. Trockenen Fußes gelangen alle Familien durch das Meer hindurch auf die andere Seite. Sie sind frei. Frei, um jetzt in der Wüste unterwegs zu sein. Unterwegs in eine neue Zukunft.

Schon nach kurzer Zeit beginnen sie sich zurück nach den Fleischtöpfen von Ägypten zu sehnen. Die werden sie als Sklaven kaum genossen haben, auch wird ihr Leben dort genauso ungewiss gewesen sein wie jetzt in der Wüste. Aber es ist das Leben, das sie kannten. Gewohnheit entwickelt eine starke Anziehungskraft. Vieles wird jetzt auch bei uns wieder freier. Wir können wieder einkaufen gehen, uns die Haare schneiden lassen, im Restaurant sitzen, ein Buch in der Bibliothek leihen... Die Schulen öffnen allmählich und endlich können Kinder wieder von ihren Lehrerinnen und Lehrern motiviert werden. Viel Gewohntes kehrt zurück.

Manches aus der Corona-Krise würde ich gern bewahren. Ich merke, wie ich sensibler geworden bin für meine eigenen Bedürfnisse und größeres Verständnis erfahren habe.  Ich staune immer noch über die großartige Solidarität, mit der wir alle an der Senkung der Infektionszahlen gearbeitet haben. Ich staune darüber, dass politisches Handeln für Viele persönlich spürbar wurde. Dass es da gute und verständliche Beschlüsse gab. Dass Pflegekräfte und Pädagogen als systemrelevant eingestuft werden noch vor Banken und Finanzkräften halte ich für ein wichtiges Signal.

Die Krise zeigt, dass Menschen in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen. Dass wir Wege finden, uns digital nahe zu sein. Dass es viele kreative Möglichkeiten gibt, das Leben lebenswert zu gestalten. Israel war einst lange in der Wüste unterwegs. Nach Ägypten sind sie nicht zurückgekehrt. Das Land in dem „Milch und Honig fließen“ haben sie auch nicht gefunden. Aber sie erlebten: Gott ist geduldiger mit mir als ich selber. Und Gott eröffnet eine Zukunft.

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